Leserbrief
Unser Mitglied Martin Enderle hat in einem Leserbrief an die Bielefelder Zeitungen auf technische Gegebenheiten bei der Freilegung des Lutterbaches in Bielefeld hingewiesen und gezeigt, wie man alleine durch die Sprach- und Begriffswahl ein Projekt bewerten kann.
Thema Verkehrswende
Exkursion Espelkamp 20.01.2020
Espelkamp ist eine Stadtgründung, die in den 50 er Jahren an der Stelle einer Munititionsanstalt des Heeres (Muna) errichtet wurde. Nach dem Krieg fanden Vertriebene eine neue Heimat in den von der „Aufbaugemeinschaft Espelkamp“ errichteten Wohnbauten.
Heute hat die Stadt ca. 25.000 EW, mit den Firmen Harting und Gauselmann als Hauptarbeitgeber.
Der Bauamtsleiter Thorsten Blauert führte die Besuchergruppe in sehr kompetenter Weise vom Bahnhof durch verschiedene Wohngebiete bis zum Rathaus. Wir konnten die verschiedenen Stadtentwicklungsbereiche von der „Gründerzeit der 50er Jahre“ bis in die heutige Zeit besichtigen. Dabei erinnerte die Architektur und der Städtebau sehr an die in gleicher Zeit entstandene Sennestadt.
Die Kleinstadt im Norden von OWL, die mit der Bahn 1 Std. von Bielefeld entfernt liegt, ist ein Beispiel einer jungen Stadtplanung, die ohne historische Bezüge einen gut funktionierenden Lebensraum geschaffen hat mit Aufenthaltsqualitäten.
Konversion von Kasernengelände in Herford
Am 14. August 2019 informierte sich das Forum Baukultur beim Bildungscampus in Herford über den Fortschritt bei der Umnutzung des dortigen 8,55 ha großen Kasernengeländes der Wentworth-Barracks. Vorträge von Bürgermeister Tim Kähler und Norbert Landshut, Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft Hansestadt Herford mbH (SEH) führten ein in die durch den Abzug der Briten aus entstandene städtebauliche Situation wie über den Weg zu ihrer Bewältigung. Als die Briten 2015 aus Herford abzogen, hinterließen sie mitten in der Stadt Platz für Neues. Aber was? Die Bürger haben in Herford selbst entschieden: Aus der Wentworth-Kaserne soll ein Bildungscampus werden, der auch Raum für innovative Unternehmen bietet. 1.000 Arbeitsplätze und ebenso viele Studienplätze sind das Ziel. Mehr als 500 Studienplätze gibt es bereits. Erster Mieter ist seit 2017 die Fachhochschule für Finanzen NRW. „Auf diesen Erfolg sind wir stolz. Wir ruhen uns aber nicht darauf aus“ hieß es dazu aus der SEH.
Sehr begrüßt aus dem Kreis der Forums-Delegation wurde die Entscheidung der Stadt Herford, einen Freiraumplanerischen Wettbewerb auszuschreiben. Aus dem sich anschließenden Verhandlungsverfahren konnte sich das Büro Greenbox Landschaftsarchitekten durchsetzen.
Im Juni 2019 war mit den Arbeiten zum Umbau von drei Kasernengebäuden zu Studierenden-Appartmenthäusern auf dem Hammersmith-Quartier begonnen worden. Das Projekt trägt den Namen „Die Drei Geschwister“.
Nicht lange nach dem Besuch des Forums fiel in Herford der Beschluss, die Pflegeschule der Kliniken Herford und Bünde sowie des Herz-Diabetes-Zentrums Bad Oeynhausen (HDZ) zum 1.Oktober 2020 auf dem BildungsCampus Herford anzusiedeln. Dann wird auch die Fachhochschule des Mittelstands FHM Bielefeld die Hebammenausbildung auf dem BildungsCampus Herford anbieten.
Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und die Hansestadt Herford haben dann am 30.12. 2019 einen Kaufvertrag über die Restfläche der ehemaligen Wentworth-Kaserne auf dem Stiftberg in Herford unterzeichnet. Damit steht nun die gesamte Fläche der ehemaligen Wentworth-Kaserne im Eigentum der Hansestadt Herford.
Für die Teilnehmer des Forums ein aufschlussreicher Blick auf ein bislang recht erfolgreiches Modell der Umnutzung und Revitalisierung früherer Militärliegenschaften.
(Bildrechte Peter Stuckhard)
Nachbericht Stadt.Land.Mobilität in der Region OWL vom 11.10.2019
Historisches Rathaus Paderborn, Rathaus Platz 1, 33098 Paderborn
Die Region Ostwestfalen-Lippe mit ihren Oberzentren Bielefeld und Paderborn ist überwiegend ländlich geprägt. Die Pendlerströme der in den Zentren arbeitenden, aber dezentral wohnenden Menschen belasten die Umwelt. Alternative Mobilitätsformen müssen deshalb gestärkt und der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut werden.
Grob skizziert lautete so der thematische Rahmen, dem sich die letzte BDA-Veranstaltung der Reihe Stadt in Bewegung am 11. Oktober 2019 in Paderborn widmete. Zusammen mit dem Forum Baukultur OWL wurden Konzepte und Perspektiven mit Fachleuten und dem Publikum erörtert. Ort der Veranstaltung war das historische Rathaus von Paderborn.
In ihrem Impulsvortrag ging Annette Nothnagel, seit 2018 Leiterin der Regionale 2022 bei der OstWestfalenLippe GmbH, der Frage nach, warum die polyzentrische Region ein Zukunftsmodell sein kann. Trotz unterschiedlicher Entwicklungsdynamik sei das UrbanLandOstWestfalenLippe der Ort, an dem die strategische Vision der neuen Balance von Stadt und Land Wirklichkeit werden könne. Die Annehmlichkeiten überschaubarer kleinstädtischer und ländlicher Strukturen werde in der Region um die Angebote von städtischem und großstädtischem Leben ergänzt. Insofern sei Urbanität als Lebensgefühl überall möglich. Rückzugsmöglichkeiten und ein Klima von sozialer Wärme seien prägende Elemente der Region. Nach einer Umfrage würden nicht umsonst 40 Prozent die Kleinstadt als ihren Wunschwohnort angeben, lediglich 21 Prozent gäben an, am liebsten in der Großstadt wohnen zu wollen.
Nothnagel erkennt drei Megatrends, die die augenblickliche Entwicklung kennzeichnen: Glokalisierung, also die Zusammenführung von Globalisierung und Lokalisierung, den Trend der Digitalisierung und den der Individualisierung.
Der Regionale 2022 ginge es in ihrer Arbeit zunächst darum, die Qualitäten der Region und ihrer verschieden strukturierten Räume, die zu großen Teilen von unterschiedlich großen Pendlerströmen geprägt seien, zu nutzen und zu stärken.
Die Neue Mobilität ist eines des insgesamt vier Aktionsfelder der Regionale 2022, zu denen im weiteren Das neue Stadt Land Quartier, Der neue Mittelstand und Die neue Kommunen ohne Grenzen gehören. Daraus ergeben sich als „Querschnittsthema und als strategischer Hebel“ das Feld Mobilität und Klimaschutz.
Augenblicklich verfüge die Regionale über 107 Projektideen, etwa die Hälfte der Projekte befänden sich in einem fortgeschrittene Entwicklungsstatus. Gerade Mobilitätsprojekte wie das Radnetz OWL seien zentrale Themen. Zu erkennen sei, dass sich die Rahmenbedingungen mit den Entwicklungsmotoren Klimaschutz und Neue Technologien massiv verändern würden.
Vordringliches Ziel mit Streckenreaktivierung, Schnellbuslinien und Taktverdichtungen sei die schnelle und zuverlässige Verbindung zwischen allen Städten. Dabei müsse die „letzte Meile“ verstärkt in den Fokus genommen werden, sozusagen als „individueller ÖPNV“. Carsharing, Bürgerbusse oder Lastenfahrräder sowie – als Zukunftsversion – autonome Kleinfahrzeuge auf Schiene oder Strasse sind zukunftssichere Ansätze. Zu den Projekten der Regionale 2022 im Kontext der Mobilität gehöre beispielsweise das Projekt Future Rail: die Aktivierung einer Bahnstrecke von Harsewinkel über Gütersloh nach Verl und ihrer Ergänzung als autonom geführtes Fahrzeug in Richtung Süden nach Hövelhof.
Die Neue Mobilität müsse für ihren Erfolg optimal vernetzbar sein, sowohl physisch (Mobilstationen) als auch digital (komfortable Informations- und Buchungsplattformen). Gleichzeitig sei die Neue Mobilität aber auch Herausforderung und Chance für die öffentlichen Räume. Mobile-Hubs könnten zu neuen Begegnungsorten werden.
Mit dem Hinweis auf die polyzentrisch vernetzte Regional als große Zukunftsaufgabe schließt Annette Nothnagel ihren Impulsvortrag.
Die Technische Beigeordnete der Stadt Paderborn, Claudia Warnecke, setzt die Diskussion über Stadtentwicklung und Mobilität in der Regiopolregion fort. Paderborn sei in der komfortablen Position einer positiven Bevölkerungsentwicklung, 47 000 Menschen pendeln täglich nach Paderborn. Der Modal Split weise die typischen Merkmale einer Stadt in der Lage und mit dieser Struktur auf: 67 Prozent aller Wege würden mit dem Kfz. durchgeführt, bei den 30-49-jährigen sogar 79 Prozent.
Was ist zu tun? Ergebnisse einer Haushaltsbefragung, so eine der Antworten von Warnecke, hätten die Wünsche nach Taktverdichtungen und einer veränderten Kostenstruktur erkennen lassen. Auch sogenannte multimodale Angebote – erneut wurde die „letzte Meile“ angesprochen – seien zu verstärken.
Ergänzend sei der motorisierte Verkehr zu stützen, etwa durch E-Fahrzeuge und ausreichender Ladeinfrastruktur, durch die Förderung emissionsarmer Antriebe oder durch die Förderung von Fahrgemeinschaften. Der regionale Radverkehr müsse über die Stadtgrenzen hinaus ausgebaut und die Routenwahl sich am Pendleraufkommen orientieren. Ergänzend seien Abstell- und Ladeinfrastrukturen zu schaffen und die Anbindung an den Schienenverkehr und an die Buslinien zu stärken.
Claudia Warncke sprach innerhalb der regionalen Betrachtung auch den Wohnungsbau an, der wie in so gut wie allen Regionen in Deutschland verstärkt werden müsse. Der hohe Bedarf lasse sich kaum auf dem eigenen Stadtgebiet decken. Wohnstandorte im Umland blieben nach wie vor attraktiv, man müsse aber gleichzeitig die Konsequenzen von zusätzlichem Verkehr, den zusätzlichen Immissionsbelastungen wie auch der Erschwerung der Alltagssituation von Familien einkalkulieren.
Was sind die Kriterien für eine nachhaltige regionale Siedlungsentwicklung? Zu erkennen sei in jedem Fall der Vorrang des schienengebundenen Verkehrs, aber auch der von lokalen Infrastrukturen wie medizinischer Versorgung oder der Kinderbetreuung. Eine möglichst große Vielfalt an Wohnungsformen und geförderten Wohnungen könnten auch außerhalb der großen Städte für eine zeitgemäße Siedlungsentwicklung sorgen.
Als dritter Vortragender stellte Prof. Oliver Hall von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Konzepte und Perspektiven zu alternativen Mobilitätsformen vor.
Die Frage danach, wie wir zusammen leben wollen, werde häufig genug mit dem Gegensatzpaar „urban, kompakt, gemischt“ auf der einen und der autoabhängigen, monofunktionalen Siedlungsstruktur auf der anderen Seite beantwortet. Mit dem Stadtwachstum sei schon immer zunehmender Verkehr und zunehmende Flächeninanspruchnahme verbunden gewesen. Der seit Jahrzehnten geltenden Priorisierung des motorisierten Individualverkehrs und der Massenmotorisierung müssten endlich neue Ziele entgegengesetzt werden. Die Vernetzung von Arbeits- und Wohnort, Fahrkomfort und letztlich der Anschluss an das Europäische Hochgeschwindigkeitsnetz seien die neuen Prioritäten.
Dabei, so Hall weiter, gäbe es ausreichend innovative Konzepte, wie dem Kombi-Bus für den Personen- und Gütertransport in Bussgods (Schweden) oder dem Integralen Taktfahrplan der Schweizerischen Bahn im 30-Minutentakt. Der Verkehr in Zermatt in der Schweiz sei mit über 500 zugelassenen E-Autos praktisch emissionsfrei. Wie weit hingegen die Entwicklung früheren Hoffnungen hinterherhinken könne zeigt Hall an einer BDA-Tagung von 1967: Mehr als die Hälfte aller Teilnehmenden hätten seinerzeit der These zugestimmt, dass 1987 die meisten Kraftwagen mit Elektromotor betrieben würden.
Anhand verschiedener Konzepte belegt Oliver Hall die vorhandenen Ansätze für umweltfreundliche Mobilitätsnetze mit CO2-neutralen Antrieben. So hätten sich mehrere Kurorte in OWL zu einem gemeinsamen Konzept zusammengefunden. Das Ziel sei eine „Modellregion Elektromobilität“ und ihr Imagegewinn gewesen. Mobilitätsketten vom Bahnhof zur Unterkunft oder E-Therapiefahrzeuge seien neben anderen Elementen die grundlegenden Projektbausteine. Auch der Verkehrsversuch in Bad Salzuflen, der eine autofreie Innenstadt zum Ziel habe, reihe sich in solche Konzepte ein.
Konkrete Projekte gebe es, so Hall weiter, in der Region OWL genug. Der E-Bürgerbus in Kalletal, das E-Bürgerauto in Lügde, Elbrinxen und Schwalenberg oder das Pedelec als ÖPNV-Zubringer in Kalletal seien hier Beispiele.
Im weiteren verwies Hall auf die Landesinitiative „Bauland an die Schiene“, die Flächenpotenziale für den Wohnungsbau erschließen soll. In NRW bestünde ein Neubaubedarf von 400 000 Wohnungen. Um die Fehler früherer Wohnungsbauprojekte nicht zu wiederholen, seien auch in kleineren Kommunen Prinzipien einer ausreichenden Nutzungsdichte, geschlossener Mobilitätsketten und Sharingangebote als wesentlicher Teil zukünftiger Nachbarschaften zu entwickeln und einzuhalten. Bewohner und Gebäude würden vom Konsumenten zum Produzenten.
In einem Abschlussstatement waren sich alle drei Vortragenden einig, dass für eine Weiterentwicklung nicht nur der geeignete Rahmen geschaffen werden müsse, auch sei der Mut für Experimente notwendiger Teil einer gemeinsamen Strategie.