Verbände legen gemeinsamen Sechs-Punkte-Rettungsplan vor
Drastische Umsatzrückgänge, Geschäftsschließungen, Kundenabwanderung zum Online-Handel: Corona hat den stationären Handel in den Innenstädten in eine nie dagewesene Krise gestürzt; vielen Zentren droht Leerstand und Funktionsverlust. Angesichts dieser Entwicklung rufen die Bundesstiftung Baukultur, der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. (DV), der Handelsverband Deutschland (HDE) und urbanicom in einem gemeinsamen Positionspapier dazu auf, dem Niedergang mit einem kreativen Zusammenwirken möglichst vieler Innenstadtakteure zu begegnen und fordern von der Bundesregierung ein umfassendes Rettungspaket zur Innenstadtstabilisierung, unter anderem mit einem Sonderprogramm der Städtebauförderung über 500 Millionen Euro jährlich.
„Nur wenn Handel und Gastronomie, Immobilieneigentümer, soziale und Bildungseinrichtungen, urbane Produktion und Handwerk sowie Kreative und Kulturschaffende zusammenwirken können neue multifunktionale Nutzungen und Geschäftsideen entstehen, die die Menschen wieder in die Zentren ziehen“, sagte Michael Groschek, Staatsminister a. D. und Präsident des DV.
Neben Kooperation, Vernetzung, innovativen Ideen und einer konsequenten Digitalisierung umfasst der Sechs-Punkte-Plan der Verbände auch die Forderung nach einer verbindlichen planungsrechtlichen Abgrenzung der Zentren, um zum Beispiel Leerstand besser begegnen zu können. Und nicht zuletzt ist eine städtebauliche und architektonische Aufwertung notwendig: „Unsere Innenstädte müssen wieder zu Wohlfühlorten mit Verweilqualität und attraktiven Anziehungspunkten werden. Die Baukultur unserer Zentren und öffentlichen Räume prägt uns alle und ist entscheidend für lebenswerte Städte und Gemeinden“, hob Reiner Nagel hervor, Vorsitzender des Vorstands der Bundesstiftung Baukultur.
Zudem fordern die Verbände von der Bundesregierung ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Rettung der Innenstädte: „Das Konjunkturprogramm und die Mehrwertsteuerabsenkung des Bundes haben für Erleichterung gesorgt, aber sie konnten nicht verhindern, dass wir schon heute viele Geschäftsaufgaben erleben. Wenn wir die Verödung und damit den Identitätsverlust unserer Innenstädte verhindern wollen, brauchen wir dringend einen neuen integrierten Ansatz. Alle Beteiligten – Bund, Länder, Kommunen und die betroffenen Wirtschaftsbranchen - müssen an einem Strang ziehen“, mahnte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE.
Sechs Maßnahmen für die Innenstädte
Die Bundesstiftung Baukultur und die Verbände DV, HDE und urbanicom schlagen als gemeinschaftliche Aufgabe von Kommunen, lokalen Händlern, Gastronomie, den Immobilieneigentümern, vor: der weiteren Wirtschaft
1) Innovative, multifunktionale und kreative Konzepte für die Innenstädte von morgen:
Dies umfasst neben der Stärkung und Modernisierung des stationären Handels unter anderem die Verbindung zu regionalen und nachhaltigen Produkten, urbane Produktion und Handwerk, ergänzende Gastronomie-, Freizeit- und Kulturangebote, neue Arbeitsformen wie Co-Working sowie die Integration von sozialen und Bildungsangeboten und neuer innerstädtischer Wohnformen. Dies muss über klassische Einzelhandels- und Zentrenkonzepte deutlich hinausgehen und vor allem auch frische, kreative Ideen sowie die Potenziale kreativer und kulturwirtschaftlicher Akteure einbinden.
2) Lokale Aktionsgruppen, die alle relevanten Innenstadtakteure einbeziehen und miteinander geeignete Aktivitäten zur Stärkung der Innenstädte aushandeln und auf den Weg bringen. Dazu zählt auch eine Verständigung mit Immobilieneigentümern zu einer auf die Geschäftssituation und eine attraktive Nutzungsmischung ausgerichtete angepasste Mietenpolitik.
3) Eine konsequente planerische Steuerung: es braucht eine klare und verbindliche planungsrechtliche Abgrenzung der Zentren, in denen die Kommunen das ihnen zur Verfügung stehende planungs- und bodenrechtliche Instrumentarium zur Ansiedlungs- und Nutzungssteuerung und zum Umgang mit Leerständen konsequent anwenden. Zentrenschädliche Einzelhandelsstandorte und Überkapazitäten sind zugunsten einer Konzentration auf die zentralen Versorgungsbereiche in der Innenstadt zu verhindern.
4) Eine städtebauliche und architektonische Aufwertung: gestalterisch attraktive und qualitätvolle Architektur und öffentliche Räume sind die bauliche Grundlage für Verweilqualität und eine Wohlfühlatmosphäre und bilden in Symbiose mit der Funktionsmischung attraktive Anziehungspunkte in den Innenstädten. Dies muss Hand in Hand gehen mit einer attraktiven, leistungsfähigen, umweltfreundlichen und stadt- verträglichen Mobilität sowie einer qualitativ hochwertigen Durchgrünung. Dafür ist eine hohe Baukultur innerstädtischer Immobilien und der öffentlichen Räume von besonderer Bedeutung und muss bei der Stärkung und Belebung der Zentren prioritär sein.
5) City- und Stadtteilmarketing: zur lokalen Beratung und Vernetzung von kleinen Geschäftsleuten, Gastronomen und Gewerbetreibenden sollten Angebote geschaffen oder ausgebaut werden. Diese dienen sowohl der Professionalisierung, Attraktivitätssteigerung und zukunftsfähigen Ausrichtung sowie der Erhöhung der innerstädtischen Aufenthaltsqualität. Zur Überwindung des aktuellen Bedeutungsverlusts der Innenstädte sollten hier vermehrt auch Kulturveranstaltungen gefördert werden.
6) Eine leistungsfähige Digitalisierung des stationären Handels und der gesamten Innenstädte, um of ine mit online zu verbinden und z.B. dem Kunden, der gerne in die Innenstadt kommt, schon bei der Planung seines Besuchs die Suche nach Produkten und Dienstleistungen zu erleichtern (z.B. durch lokale und landesweite Online-Plattformen mit smarten kooperativen Angeboten, Click & Collect, lokaler Logistik). Hierbei gilt es, analog zur Unternehmensvielfalt im stationären Handel, die Wettbewerbsintensität durch Anbietervielfalt auch im Online-Bereich zu gewährleisten.